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Heer im Wandel

Eckpunktepapier 2021

Wahl 2021: Vergesst die Sicherheit nicht!

Nach der Wahl 2021: Sind die Planungen noch aktuell?

Unbekannte Bundeswehr

Nachrichtenecke

- In der Ukrainekrise ist Deutschland im Gegensatz zu den Bündnispartnern zu keinen militärischen Unetrstützungsmaßnahmen bereit und betont die Prioriät des Dialogs mit Russland.

-Ministerin Lamprecht hat alle Planungen aufgrund des Eckpunktepapiers vom Mai 2021 vorerst auf Eis gelegt und neue Prüfungen angekündigt.

-Frau Christine Lamprecht (SPD) hat als neue Verteidigungsministerin die Befehls- und Kommandogewalt übernommen. Als parlamentarische Staatssekretäre vertreten Siemtje Möller und Thomas Hitschler die Fachexpertise. Aus dem Justizminiisterium soll Margarethe Sudhof als beamtete Staatssekretärin ins BMVg wechseln. Frau Strack Zimmermann (FDP) übernimmt den Vorsitz im Verteidigungsausschuss.

- Die Süddeutsche Zeitung meldet, dass die künftige Ampelregierung auf die Aufstockung der Bundeswehr von 184.000 auf 203.000 bis 2027 verzichten wird.

            

Strukturen


Viele Bürger der Stadt Dülmen bedauern den Abzug der Bundeswehr aus ihrer Stadt in den Jahren 2002 und 2003, auch wenn sie den grundlegenden Wandel der Sicherheitslage in Europa und die neuen erweiterten Aufgaben der Bundeswehr bei der Erhaltung des Friedens nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Teilen der Welt unterstützen. Ebenso sieht man die Notwendigkeit  struktureller Reformen in Zeiten neuer Herausforderungen und knapper Kassen.
In einem Rückblick will diese Webseite noch einmal die schwierige Zeit Revue passieren lassen, als die Bundeswehreinheiten in Dülmen ihren Beitrag zur Friedenssicherung in Europa geleistet haben.

Politischer Hintergrund

Im Jahre 1955 trat die Bundesrepublik Deutschland dem westlichen Verteidigungsbündnis der NATO bei und begann wieder mit der Aufstellung eigener Streitkräfte. In den unmittelbaren Jahren nach dem Ende von Krieg und Diktatur hätte wohl kaum jemand diese Entwicklung vorhergesehen. Im Rückblick erscheint dieser Weg aber folgerichtig gewesen zu sein. Die Koalition der Westmächte mit der Sowjetunion war angesichts unüberbrückbarer gesellschaftlicher und politischer Gegensätze schnell zerbrochen. Die Sicherheitslage der jungen Bundesrepublik war angesichts der konventionell weit überlegenen Kräfte des Warschauer Paktes sehr kritisch geworden und trotz aller Vorbehalte im In- und Ausland erschien ein deutscher Beitrag zur Verteidigung Westeuropas aus der Sicht der verantwortlichen Politiker unumgänglich. Der ursprüngliche Plan, deutsche Streitkräfte in eine gemeinsame europäische Armee einzubinden, scheiterte als das französische Parlament das Projekt einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) ablehnte. So bot sich als Alternative der Beitritt der Bundesrepublik als souveräner Staat in das seit 1949 bestehende NATO-Bündnis der westlichen Staaten an. Die Pläne sahen einen deutschen Verteidigungsbeitrag von maximal 500.000 Soldaten vor, der in wenigen Jahren aufgebaut werden sollte. Die damalige Regierung Adenauer wollte
die neue Bundeswehr möglichst rasch  auf diesen Zielumfang aufwachsen lassen, um das Konzept einer Integration der westlichen Staaten voranzutreiben und das politische Gewicht der jungen Republik in der westlichen Gemeinschaft zu erhöhen.

Der rasche Aufbau der Bundeswehr in dieser Größenordnung war eine besondere Herausforderung. Die vorhandene militärische Infrastruktur aus den Jahren vor 1945 wurde stark von den Alliierten beansprucht oder bereits zivil genutzt. Die Rückführung in eine militärische Nutzung durch den Bund war in diesen kurzen Zeiträumen nicht immer zu gewährleisten.  Aus diesem Grunde wurden zahlreiche Kasernenneubauten unumgänglich. Es entstand eine große Zahl von neuen Standorten in Klein- und Mittelstädten, die bisher keine Garnison besessen hatten. Motive für die Standortwahl waren u.a. günstige Bedingungen für den Grunderwerb, operative Überlegungen, aber auch die Einstellung der Kommunen gegenüber der Truppe. Die Masse der Neubauten wurde in den Jahren 1958 bis 1966 fertiggestellt. Danach verlangsamten sich Fertigstellungen in Zeiten knapper Kassen und die letzte Neubaukaserne wurde erst 1986 im fränkischen Volkach bezogen;  wenige Jahre bevor eine politische Wende in Europa einen großen Teil der militärischen Infrastruktur wieder entbehrlich machte. Viele Bundeswehrverbände, die in der Masse bis 1963 aufgestellt wurden, mussten  provisorisch an Zwischenstandorten untergebracht werden, bevor sie ihren Endstandorte erreichten.

Zu den neuen Garnisonen gehörte auch Dülmen, das 1966 zur Heimat von Artillerieeinheiten wurde, die vorher in Lippstadt aufgestellt und zwischenstationiert worden waren. Die Einheiten in Dülmen waren in den folgenden Jahren regelmäßig von Veränderungen  betroffen, die aufgrund  sicherheitspolitischer, militärtechnischer aber auch finanzpolitischer Vorgaben umgesetzt werden mussten.  Den größten Umfang an Truppenteilen erreichte die Dülmener Garnison in den 80er Jahren als angesichts der wachsenden konventionellen Streitkräfte des Warschauer Paktes durch Rationalisierungsmaßnahmen in den einzelnen Bataillonen die Gesamtzahl  aktiver und nicht aktiver Einheiten aufgestockt wurde. Allerdings waren mit dem sinkenden Wehrpflichtigenaufkommen bald schon wieder Planungen zur Reduktion der Aktivstärke notwendig, die dann aus einem ganz anderen unerwarteten Grund, nämlich der politischen Wende in Europa 1989, beschleunigt wurden.

In den Jahren 1990 bis 1993 musste die Bundeswehr aufgrund der Vorgaben des "Zwei-plus vier"-Vertrages auf 370.000 Mann reduziert werden. Die von Öffentlichkeit und Politik erwartete "Friedensdividende" und die seit 1994 mit dem UN-Einsatz in Somalia sich abzeichnende Rollenveränderung der Streitkräfte führte zu einem Nachsteuern der Planung und weiteren Reduktionen ab 1996.

Die Gesamtstärke der Bundeswehr verringerte sich dabei schrittweise auf knapp 320.000 Soldaten. Das "Heer für neue Aufgaben" teilte sich in Krisenreaktions- und Hauptverteidigungskräfte. Die Krisenreaktionskräfte hatten eine höhere Bereitschaft sicherzustellen, um in kurzer Zeit eingesetzt werden zu können. Die Hauptverteidigungskräfte sollten erst bei einem größeren Konflikt für die Landes- und Bündnisverteidigung  auf volle Stärke und Qualität aufwachsen . Warnzeiten von bis zu einem Jahr galten als neuer Maßstab sicherheitspolitischer Vorsorge. Das internationale Eingreifen in den Balkankonflikt mit deutscher Beteiligung ließ auch Dülmener Soldaten an der noch ungewohnten Rolle der Friedenssicherung  und Friedenserzwingung im Ausland teilhaben.

Von den mit der Wiedervereinigung unabdingbaren Reduzierungen in den Streitkräften war  Dülmen nicht in dem Ausmaß betroffen wie andere Orte. Viele Soldaten aus den neuen Bundesländern taten nun auch in Dülmen Dienst, das aufgrund der guten Verkehrsverbindungen einfacher zu erreichen war als manche andere Kaserne. Dülmen war auch in früheren Jahren  wegen seiner Nähe zu den Bevölkerungszentren immer schon ein beliebter heimatnaher Standort für wehrpflichtige und freiwillige Soldaten gewesen.

Angesichts der öffentlichen Finanzlage und der Anforderungen bei den Auslandseinsätzen war zu erwarten, dass eine weitere Umgliederung und Umplanung der Bundeswehr bevorstand. Dieser Prozess wurde nach dem Regierungswechsel 1998 beschleunigt und führte zu dem  2001 verkündeten  Planungskonzept einer Bundeswehr von 285.000 aktiven Soldaten.

Im Februar 2001 wurde der Standort Dülmen von der Nachricht überrascht, dass die  St.- Barbara-Kaserne aufgegeben und die verbleibenden Verbände nach einer Umstrukturierung nach Coesfeld verlegen werden sollten. In Dülmen war man davon ausgegangen, dass die Kaserne aufgrund der gerade erst abgeschlossenen Modernisierungen, ihrer günstigen Lage und wegen der Akzeptanz der Bundeswehr in der Stadt nicht auf der Streichliste des BMVg stehen würde. Alle Hoffnungen, dass die Entscheidung revidiert werden würde, zerschlugen sich und 2003 verließ der letzte Soldat die St.- Barbara-Kaserne . Seit der Räumung durch die Standortverwaltung Ende 2004 steht die Kaserne ganz leer.


Militärische Organisationsformen

Um den Standort Dülmen in den Rahmen der Bundeswehrorganisation einordnen zu können, ist ein kurzer Blick auf die militärischen Strukturen der 50er bis  90er Jahre erforderlich, die immer wieder modifiziert wurden und in reduzierter Form auch heute noch bestehen. Als grundlegende Orientierung sollte man dafür die Heeresstruktur IV aus den 80er Jahren zugrunde legen, in der das Heer der Bundeswehr den höchsten Umfang und Organisationsgrad seiner Geschichte erreicht hatte.

Dülmen war ein Standort des Heeres, das die größte der drei Teilstreitkräfte darstellte. Das Feldheer stellte mit zwölf Divisionen die Masse des westdeutschen Verteidigungsbeitrages für die NATO-Landstreitkräfte. Eine damalige Division verfügte über ca. 15.000 – 20.000 Soldaten, deren Kampfverbände in je drei Brigaden als bewegliche Kampfgruppen organisiert waren. Die Masse der Panzer-, Infanterie- und Artillerieeinheiten verteilte sich auf die laut Plansoll vorgesehene Zahl von 36 Brigaden, von denen die letzten drei erst in den 70er Jahren aufgestellt werden konnten.  Zusätzlich verfügte jede Division über weitere selbstständige Verbände zur Führung, Kampfunterstützung und Versorgung. Dazu gehörte u.a. auch ein Artillerieregiment mit Stab und Stabsbatterie, Feldartilleriebataillon, Raketenartilleriebataillon und später auch ein Beobachtungsbataillon und eine Sicherungsbatterie. Das Artillerieregiment hatte die Aufgabe, übergeordnete Ziele im gesamten Gefechtsstreifen einer Division zu bekämpfen und die Artilleriekräfte der Brigaden zu verstärken, gegebenenfalls auch zu führen

In Dülmen war seit 1966 das Artillerieregiment 7 stationiert, das zur 7. Panzergrenadierdivision (ab 1980 Panzerdivision) gehörte. Diese Division war mit ihren Kampftruppen in Nordrhein-Westfalen stationiert und gehörte seit 1970 zum I. Korps in Münster, das die Feldheerestruppen in Norddeutschland führte und der NATO-Heeresgruppe NORD unterstand. Vorher hatte die Division dem III. Korps in Koblenz unterstanden, dessen Einsatzraum weiter südlich lag. Das I. Korps verfügte wie die anderen beiden Korps in Koblenz und Ulm über eigene Korpstruppen in Divisionsstärke, die die unterstellten Divisionen zu unterstützen oder Spezialaufträge auszuführen hatten. So gehörten z.B. die Fernmeldebataillone 110 und 130 im benachbarten Coesfeld und die logistischen Truppen und Heeresflieger in Rheine (Nachschubbataillon 110, Instandsetzungsbataillon 120, Transportbataillon 170, Heeresfliegeregiment 15) zu den Korpstruppen des I. Korps. Das Raketenartilleriebataillon 150 in Wesel hatte einen nuklearen Spezialauftrag und gehörte zum Korpsartilleriekommando in Münster. In der Dülmener St.-Barbara-Kaserne lagen auch zwei Kompanien des Korpsinstandsetzungsbataillons 120 aus Rheine. Die benachbarten Standorte Ahlen und Handorf waren dagegen Standorte von Kampftruppen der Panzergrenadierbrigade 19, während das Panzerflakregiment 7 in Borken wiederum zu den Divisionstruppen der "Siebten" gehörte. Mitte der 70er Jahre erhielt die 7. Panzergrenadierdivision zu den Brigaden 19 (Ahlen) und 21 (Augustdorf) auch die bisher fehlende dritte Brigade (Nr. 20), deren Panzerartilleriebataillon (Nr.205) neu in Dülmen entstand.  Dagegen gehörte die Flugabwehrraketeneinheit im benachbarten Datteln (4./Flugabwehrraketenbataillon 21) zur Luftwaffe. Einheiten der Luftwaffe oder des für die rückwärtige Verteidigung  und Unterstützung zuständigen Territorialheeres waren in Dülmen nicht stationiert. Das I. Korps wurde ab 1994 in den Stab des deutsch-niederländischen Korps überführt und seine Korpstruppen aufgelöst oder einer Division, meist der "Siebten" unterstellt. Die 7.Panzerdivision gehörte nicht zu den Divisionen, die ab 1993 aufgelöst wurden. Sie wurde aber auf zwei Brigaden (19 und 21) reduziert. Ihre Auflösung erfolgte erst 2006.

Die 2004 beschlossene Planung, die das Aus für eine große Zahl von Standorten und Einheiten bedeutete und zum Abzug der Bundeswehr aus Coesfeld und Borken führte, bringt einen grundlegenden Umbau der Bundeswehr mit sich. Die Streitkräfte werden auf bestimmte Einsatzrollen optimiert und nach Eingreif-,Stabilisierungs- und Unterstützungskräften differenziert. Eingreifkräfte sollen das gesamte Spektrum des Gefechts abdecken können und entsprechen noch in etwa den früheren Strukturen. Dazu gehört die einzige noch verbliebene "echte" Kampftruppendivsion, die 1.Panzerdivision in Hannover mit den Panzerbrigaden 9 und 21 in Munster und Augustdorf. Ebenfalls zu den Eingreifkräften stellt das Heer die deutschen Anteile der deutsch-französischen Brigade im Schwarzwald und Teile der Fallschirmjäger- und Heeresfliegerkräfte ab. Vier Brigaden im Süden und Osten Deutschlands haben sich primär auf lang andauernde Einsätze in Krisengebieten einzustellen und gehören zu den Stabilisierungskräften. Ihre Kampftruppen werden durch brigadeeigene Führungsunterstützungs-,Pionier-,Aufklärungs- und Logistikbataillone unterstützt. Es gibt dort aber keine Brigadeartillerie mehr. Die beiden Divisionsstäbe in Sigmaringen und Leipzig (10.13.Division) dienen nur der Führung und haben keine Unterstützungstruppen zur Verfügung. Sonderformationen sind die beiden Divisionen zur Führung der Luftlande- bzw. Heeresfliegerkräfte und die Heerestruppenbrigade zur Unterstützung der Stabilisierungskräfte des Heeres mit Artillerie, ABC-Abwehr und Flugabwehr. In diese Brigade werden Teile der bis 2008 in Coesfeld aufgelösten Artillerieeinheit aufgehen.

Waffengattung Artillerie

Da der Standort Dülmen durch Artillerieeinheiten (Stab Artillerieregiment 7, Feldartilleriebataillon 71, Panzerartilleriebataillon 205, Begleitbatterie 7, zeitweise Beobachtungsbataillon 73, F
eldartilleriebataillon110 und Raketenartilleriebataillon 72) geprägt war, soll diese Waffengattung hier kurz vorgestellt werden.

Die Artillerie bekämpft mit ihren Geschützen und Raketen militärische Ziele in größerer Entfernung durch indirektes Feuer, d.h. ihre Waffensteme benötigen keine direkte Sichtverbindung zum Gegner. Die Artillerie überwacht mit technischen Systemen das Gefechtsfeld und besitzt die Möglichkeit, zahlreiche Artilleriesysteme zusammenzufassen und zu führen. In der Zeit vor 1989 trug die Artillerie mit nuklearfähigen Geschützen und Raketen zur nuklearen Abschreckung bei. Die nuklearen Gefechtsköpfe für Granaten und Raketen befanden sich im Gewahrsam US-amerikanischer Begleitkommandos, die von einer Befehlskette abhingen, die letztlich vom US-Präsidenten ausging. So entstanden das streng gesicherte nukleare Depot in Visbeck und der Fernmeldeturm in der St. Barbara-Kaserne als Teil einer umfassenden nuklearen Infrastruktur im NATO-Gebiet.

Jede der Panzer- bzw. Panzergrenadierbrigaden des Heeres verfügte über ein eigenes Panzerartilleriebataillon, das die eigenen Kampftruppen mit dem Feuer ihrer 155mm Panzerhaubitzen unterstützen konnte und von vorgeschobenen Artilleriebeobachtern und Feuerleitstellen in gepanzerten Fahrzeugen geführt wurde. Seit Mitte der 60er Jahre gehört die mehrfach modifizierte Panzerhaubitze M109 in ihrer deutschen Ausführung (M109 G) zum Standardinventar der Brigadeartillerie und sollte es in einigen Einheiten bis ca. 2004  bleiben. Die Ausstattung der elf Divisionsartillerieregimenter (ohne Luftlandedivision) war dagegen mehrfachen Ausstattungswechseln unterworfen. Diese Regimenter mussten die Artillerie im Bereich der ganzen Division koordinieren und mit den beiden eigenen schießenden Bataillonen unterstützen oder übergeordnete Ziele im Rahmen des allgemeinen Feuerkampfes   bekämpfen können. Im Artillerieregiment konzentrierten sich auch die nuklearen Einsatz- und technischen Beobachtungsmittel der Division.

Die Divisionsfeldartilleriebataillone ersetzten Mitte der 60er Jahre ihre gezogenen alten US-Feldhaubitzen Kaliber 155mm und 203 mm durch 175mm-Kanonen bzw. 203mm-Haubitzen auf Selbstfahrlafetten ( M107 bzw. M110). Die 175mm-Kanonen übertrafen aufgrund ihrer gestreckten Flugbahn mit einer maximalen Reichweite von 32 km alle anderen Geschütze des Heeres  . Die 203mm-Haubitzen waren primär als Träger von Atomgranaten vorgesehen. Das Raketenartilleriebataillon verfügte bis Ende der 70er Jahre über die ungelenkte Honest-John-Rakete auf LKW-Startgestell, die atomare Gefechtsköpfe bis 40 km weit tragen konnte. Dies nukleare System wurde ab 1970 durch leichte Mehrfachraketenwerfer (LARS) auf LKW ergänzt, die  eine große Zahl von ungelenkten Raketen Kaliber 110 mm in kürzester Zeit auf wichtige Flächenziele abfeuern konnten. Anfang der 90er Jahre kamen im Raketenartilleriebataillon mittlere Raketenwerfer Kaliber 227 mm (MARS) aus US-Produktion dazu. Im Feldartilleriebataillon wurde ab 1980 eine moderne gezogene Feldhaubitze Kaliber 155 mm eingeführt (FH-155-1), die eine Reichweite von 24 km erreichte. Die M109 wurden später mit einem ähnlichen Rohr nachgerüstet. Die FH 155-1 ersetzte die M107, die aber nicht ausgemustert, sondern zusammen mit den M110 auf ein leistungsgesteigertes Rohr Kaliber 203 mm (Reichweite 23 km) umgerüstet wurde und in den Feldartilleriebataillonen zusammen mit den 18 FH-155-1 die Zahl der Rohre auf 36  steigerte.

Der Ersatz der in die Jahre kommenden US-Artilleriepanzer verzögerte sich aufgrund finanzieller Grenzen und gescheiterter Rüstungsprojekte. Die Einführung der Panzerhaubitze  2000 , eines hochmodernen Geschützsystems Kaliber 155mm, fiel dann schließlich schon in die Phase der Reduktionen und Umgliederungen nach 1990. Im Rahmen der auf 185 Exemplare reduzierten Beschaffung wurde dann auch noch das Dülmener Feldartilleriebataillon 71 in den letzten Jahren damit ausgestattet. Das Bataillon musste  dieses System allerdings im Rahmen der  Reorganisation Ende 2002 wieder abgeben, da der Verband zu einer Artillerieaufklärungseinheit in Coesfeld umgliederte.

Artillerieaufklärungssysteme gehörten immer schon zum Inventar des Artillerieregiments. Es gab Schallmesseinheiten, die die Schallortung und –messung zur Lokalisierung gegnerischer Geschütze nutzten und Lichtmesseinheiten, die das Mündungsfeuer des Gegners auswerten konnten. Später traten unbemannte Aufklärungsdrohnen und Radargeräte dazu. In den 80er Jahren wurden diese Mittel in einem eigenen Beobachtungsartilleriebataillon zusammengefasst. Mit den Umgliederungen nach 1990 wurden diese Bataillone wieder aufgelöst und ihre Mittel in die Feldartilleriebataillone oder in selbstständige Drohnenbatterien integriert.

Auch oberhalb der Divisionsebene sahen die früheren Strukturen Artilleriekräfte vor. Auf Korpsebene existierte ein Raketenartilleriebataillon, das nukleare Gefechtsköpfe über 120 km tragen konnte. Dazu gehörte das Raketenartilleriebataillon 150 in Wesel, das seine „Sergeant“-Raketen auf LKW-Anhängerlafette ab 1976 durch die modernere „Lance“ auf einem Kettenfahrzeug ablöste. Das Weseler Bataillon wurde nach dem Verzicht auf taktische Atomwaffen durch die NATO in den frühen 90er Jahren auf mittlere Mehrfachraketenwerfer MARS umgerüstet und dem Artillerieregiment 7 in Dülmen als Ersatz für das aufgelöste Wuppertaler Raketenartilleriebataillon 72 unterstellt.

Die Aufstellungspläne der Aufbaujahre sahen auf Korpsebene auch  Rohrartilleriebataillone vor, die die unterstellten Divisionen in Verteidigungsschwerpunkten mit Feuer verstärken konnten. Jedes Korpsartilleriekommando sollte ein aktives Feldartilleriebataillon erhalten, das im Verteidigungsfall als Kader für den Aufwuchs weiterer nicht aktiver Bataillone dienen sollte, deren Gerät in Depots lagerte. Beim I.Korps verzögerte sich die Aufstellung dieses Bataillons bis 1970 als in Dülmen endlich das Feldartilleriebataillon 110 aufgestellt werden konnte, das bis 1986 am Standort existierte.

Nach 1990 wurde die Artillerie durch die Reduzierung von zwölf auf acht dann sieben mechanisierte Divisionen (Nr. 1,6,7,5,10,8,13,14 ) ebenso reduziert wie durch den endgültigen Wegfall der Korpsartillerie, die angesichts des Abzugs der taktischen Nuklearwaffen überflüssig wurde. Die schon vorher geplante Integration von Aufklärungsteilen in  schießende Bataillone führte zur Auflösung der Beobachtungsbataillone. Die gewohnte Grundstruktur der Brigadeartillerie und Divisionsregimenter blieb aber noch unangetastet.

Mit der Planung von 2001 gab es hier wesentliche Einschnitte. Die Regimentsstäbe der Divisionsartillerie sollten nur noch als Geräteeinheiten weiterbestehen und die verbleibenden Bataillone oberhalb der Brigadeebene in einer Artilleriebrigade auf Heeresebene zusammengefasst werden. Von der Artillerie, die mit 42.000 Soldaten einmal die stärkste Waffengattung in der Friedensspräsenz war,  sollten noch 17 aktive und ca. 9 nicht aktive Bataillone übrigbleiben. Dies führte zur Aufgabe des Artillerieregiments 7 im Standort Dülmen.

Die Reduktionen und Umgliederungen der Jahre 2002 bis 2004 blieben aber auch nur Episode. Die aktuelle Planung sieht für die bis 2010 einzunehmende Struktur nur noch sechs Artillerieverbände vor. Die Bataillone 215 (Augustdorf), 325 (Munster) und 295 (Immendingen) sind mit ihren Panzerhaubitzen 2000 und Aufklärungsmitteln als Brigadeverbände eingeplant. Das Beobachtungspanzerartilleriebataillon 131(Mühlhausen) und das Raketenartilleriebataillon 132 (Sonderhausen) bilden das einzige verbleibende Divisionsartillerieregiment und stehen der 1.Panzerdivision (Eingreifkräfte) zur Verfügung. Das Artillerieregiment 345 in Kusel soll bei Bedarf den Stabilisierungskräften Batterien für Feuer und Aufklärung zur Verfügung stellen können. >>>

Nachtrag: Der Planungsstand  für die Artillerie im Rahmen der 2011 beschlossenen "Neuausrichtung der Bundeswehr" sieht nur noch vier gemischte Artilleriebataillone  mit  PH 2000, Raketenwerfern MARS und Artillerieaufkläungsmitteln vor. Drei Bataillone sind der 1. und 10.Panzerdivision als Divisionstruppen zugeordnet (131,345, 325). Das vierte Bataillon (295) gehört zur deutsch-französischen Brigade. Die Einheiten werden an den Standorten Munster (325), Idar-Oberstein (345), Weiden (131) und Stetten (295) stationiert sein.

 

Fotos:

Wache der Sankt-Barbara-Kaserne in Dülmen im Sommer 2002

Stabsgebäude des Artillerieregiments 7 (Sommer 2002)


Zwei Waffengenerationen nebeneinander im Technischen Bereich der Sankt-Barbara-Kaserne. Die Zeit für die Anwesenheit  der M 109 G vom Panzerartilleriebataillon 205 und der Panzerhaubitzen 2000 vom Feldartilleriebataillon 71 in Dülmen war im  Sommer 2002 fast dabgelaufen.

 

 

Haubitze 203 mm vom Typ M110 wird bei einem Übungsschießen des Feldartilleriebataillons 71 in Munster von einer Besuchergruppe besichtigt (1.11.1983)

 

 

Feldhaubitze 155-1 des FArtBtl 71 in getarnter Feuerstellung auf einer Außenfeuerstellung von Munster-Süd im Raum Reiningen-Rodehorst (1.11.1983)    

 

 

 

Feldhaubitzen 155-1 des FArtBtl 71 mit Begleitfahrzeug 7 t gl auf einem Abstellplatz im Bereich Munster-Süd (1.11.1983)

     

 

 

Panzerhaubitze 2000 vom Feldartilleriebataillon 71 bei einer letzten Regimentsübung im offenen Gelände, Groß-Reken 2002  (Foto: Stefan Terwort)             

 

                                
Munitionsfahrzeuge MAN 10 t gl im technischen Bereich des Beobachtungspanzerartilleriebataillons 71, Dülmen 2002


                                                           >>>

Autor: Jürgen Dreifke