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Nachrichtenecke

- In der Ukrainekrise ist Deutschland im Gegensatz zu den Bündnispartnern zu keinen militärischen Unetrstützungsmaßnahmen bereit und betont die Prioriät des Dialogs mit Russland.

-Ministerin Lamprecht hat alle Planungen aufgrund des Eckpunktepapiers vom Mai 2021 vorerst auf Eis gelegt und neue Prüfungen angekündigt.

-Frau Christine Lamprecht (SPD) hat als neue Verteidigungsministerin die Befehls- und Kommandogewalt übernommen. Als parlamentarische Staatssekretäre vertreten Siemtje Möller und Thomas Hitschler die Fachexpertise. Aus dem Justizminiisterium soll Margarethe Sudhof als beamtete Staatssekretärin ins BMVg wechseln. Frau Strack Zimmermann (FDP) übernimmt den Vorsitz im Verteidigungsausschuss.

- Die Süddeutsche Zeitung meldet, dass die künftige Ampelregierung auf die Aufstockung der Bundeswehr von 184.000 auf 203.000 bis 2027 verzichten wird.



Stab und Stabsbatterie Artillerieregiment 7

Der Stab und die Stabsbatterie des Artillerieregiments 7 wurden 1960 in der Westfalenkaserne in Ahlen aufgestellt und verlegten 1966 nach Dülmen. Der Regimentsstab hatte die Aufgabe, den Feuerkampf der 7. Panzergrenadierdivision* zu führen. Dazu unterstanden dem Regiment eigene artilleristische Aufklärungskräfte, eine Sicherungseinheit  und die beiden Artilleriebataillone 71 und 72. Im Einsatz konnte der Regimentsstab bei Bedarf auch den Feuereinsatz der Panzerartilleriebataillone 195 in Handorf, 215 in Augustdorf und ab 1975 auch 205 in Dülmen führen, die den Brigaden der Division unterstanden (PzGrenBrig 19 Ahlen, PzBrig 20 Iserlohn, PzGrenBrig 19 Ahlen). Das Korpsartilleriekommando konnte ebenfalls Bataillone zur Verstärkung unterstellen.                  * ab 1980 7. Panzerdivision

Die Stabsbatterie umfasste damals den Regimentsstab , einen Fernmeldezug und zwei Artilleriespezialzüge, die Unterstützung beim Einsatz von atomaren Gefechtsköpfen leisten konnten. Hinzu kamen verschiedene Teileinheiten zum Betrieb und zur Versorgung der Batterie.

Die Batterie betrieb neben dem Regimentsgefechtsstand auch die Operationszelle Artillerie im Divisionsgefechtsstand. Über diese Zelle wurde der Einsatz der Artillerieeinheiten mit den Kräften und Planungen der ganzen Division abgestimmt.

Zu den Aufklärungskräften gehörte anfangs die Schallmessbatterie 7 und die Radarbatterie 7 in Dülmen, die 1970 zur Beobachtungsbatterie 7 zusammenwuchsen. 1980 wurden die vorhandenen Aufklärungskräfte im neuaufgestellten Beobachtungsbataillon 73 in Dülmen konzentriert.

Als schießende Verbände unterstanden dem Regiment das Feldartilleriebataillon 71 in Dülmen und das Raketenartilleriebataillon 72. Das Raketenartilleriebataillon lag bis 1970 ebenfalls in Dülmen, um dann nach Personalabgaben für Neuaufstellungen der Korpsartillerie in Geilenkirchen als Raketenartilleriebataillon 72 (L)  mit einer Doppelrolle als Einsatz- und Lehrverband neu aufgestellt zu werden. 1981 verlegte das Bataillon nach Wuppertal. Nach seiner Auflösung 1993 trat das umstrukturierte Weseler Raketenartilleriebataillon 150 an seine Stelle als zweiter schießender Verband im ArtRgt 7.

Vorbereitungen für den Einsatz taktischer Gefechtsköpfe waren Bestandteil der bis 1992 gültigen NATO-Abschreckungsdoktrin und das Regiment hatte im Rahmen der Division für die Umsetzung der nuklearen Einsatzplanungen Vorsorge zu treffen. Die nuklearen Gefechtsköpfe wurden von amerikanischer Seite durch das 81. US- Feldartilleriedetachment beaufsichtigt und in Visbeck gelagert. Von deutscher Seite hatte eine Sicherungseinheit des Raketenartilleriebataillons für die äußere Bewachung Sorge zu tra gen. (s.Begleitbatterie 7, Raketenartilleriebataillon 72). Im Regiment war ein Artilleriespezialzug fürden Einsatz nuklearer Sondermunition besonders ausgebildet.  Die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes auf deutschen Boden musste zu Kontroversen führen, wenn diese Tatsache ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte, was Ende der 50er Jahre und dann wieder Anfang der 80er Jahre der Fall war. So wurde auch der Standort Dülmen wiederholt Ziel von Demonstrationen und Aktionen gegen die nukleare Sicherheitspolitik.

Der Einsatz der Artilleriebataillone war abhängig von den Beobachtungsergebnissen der vorgeschobenen Beobachter, die in gepanzerten Fahrzeugen in den vorderen Linien das Verhalten und den Standort des Gegners an die Feuerleitzentralen meldeten. Ergänzt wurden diese Aufklärungsergebnisse durch technische Aufklärungsmittel des Beobachtungsbataillons. Dazu gehörten Radargeräte zur Gefechtsfeldüberwachung und Geschossortung sowie Schallmess- und Lichtmessanlagen zur Lokalisierung feuernder Geschütze. Hinzu kamen Meldungen anderer Truppenteile und der Luftwaffe, die beim Regimentsstab zur Erstellung eines umfassenden Lagebild für den Einsatz der Artillerie im Bereich der Division herangezogen wurden. Als das Beobachtungsbataillon 73 im Jahre 1993 aufgelöst wurde, erhielt das Regiment als Ersatz  die bisher dem Korps unterstellte Drohnenbatterie 100 aus Coesfeld , die mit ihrem unbemannten Aufklärungsflugkörper CL 289 einen bis zu 170 km tiefen Raum überwachen konnte und 1997 auch auf dem Balkan zu Einsatz kam.

Der Stab des Artillerieregiments war die Schaltzentrale für den Artillerieeinsatz im Divisionsbereich und hatte eine große Menge an Daten und Befehlen zu verarbeiten.  Hierbei wurde in den letzten Jahrzehnten als Ergänzung zu den klassischen Mitteln der Lagedarstellung auf der Karte  immer mehr Datenverarbeitungs- und Datenübermittlungselektronik eingesetzt. In den 90er Jahre wurde unter der Bezeichnung ADLER ein neues Führungs- und Informationssystem eingeführt, das alle Artillerieaufklärungs- und Waffensysteme in einen Daten- und Befehlsverbund integrierte und für beschleunigte Einsatzabläufe sorgte. ADLER vernetzt die Gefechtsstände der Artilleriebataillone und des Regiments und ermöglicht lagegerechte schnelle Bedrohungsanalysen, Wirkungsanalysen und differenzierte Feuerkommandos.

Der geschlossene Einsatz mehrerer Divisionen, wie er im Einsatzbild der Landesverteidigung vorgesehen war, ist auf absehbare Zeit weniger wahrscheinlich. Gefordert sind stattdessen schnell verfügbare Einsatzpakete für Einsätze bis zur Größenordnung einer Brigade oder Division in der Bündnisverteidigung und bei Friedenseinsätzen. Aus diesem Grund müssen die Divisionen nicht mehr über die ganze Palette eigener Unterstützungskräfte verfügen, die sie zum selbstständigen Einsatz befähigen. Somit sollte es laut Planung 2001 keine Divisionsartillerieregimenter mehr geben. Die verbleibenden Brigaden behielten ihre eigenen Panzerartilleriebataillone, aber die darüber hinaus gehenden Artilleriekräfte wurden auf Heeresebene in der Artilleriebrigade 100 (Stab in Mühlhausen/Thüringen) zusammengezogen, die direkt dem Heerestruppenkommando in Koblenz unterstand. An aktiven Truppen handelte es sich im wesentlichen um drei Artillerieaufklärungsbataillone und drei Raketenartilleriebataillone sowie vier nicht aktive Aufklärungs- und Raketenartilleriebataillone. Darüber hinaus sollten fünf nichtaktive Panzerartilleriebataillone für die drei Aufwuchsbrigaden und zur Feuerverstärkung erhalten bleiben. Sie wurden im Frieden an aktive Brigadeartillereibataillone "angehängt".

Damit war nach der Korpsartillerie nun auch die Divisionsartillerie aus der Organsiationsstruktur der Bundeswehr verschwunden. Die Artilleriebrigade 100 war für die Ausbildung und Organisation der unterstellten Truppenteile verantwortlich und stellte die entsprechenden artilleristischen Pakete für die Einsätze im Bündnisrahmen zur Verfügung. Die Artilleriebrigade 100 konnte auch Führungsstäbe abstellen, die den Artillerieeinsatz eines Großverbandes koordinierten. Der Stab des Artillerieregiments 7 wurde im Herbst 2002 aufgelöst und als Geräteeinheit eingelagert, um bei Bedarf in Rahmen eines umfassenden Einsatzes zur Landesverteidigung reaktiviert werden zu können.

Am 5. Mai 2002 verabschiedete sich das Artillerieregiment 7 und der Standort Dülmen noch einmal mit einem letzten Tag der offenen Tür von der Bevölkerung. Durch zahlreiche Gelöbnisfeiern, Festveranstaltungen und Truppenbesuche war das Regiment fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens der Stadt und ihrer Region gewesen.


Feldartilleriebataillon 71


Im Jahre 1959 begann in Münster-Handorf die Aufstellung des Feldartilleriebataillons 71 mit der 4. Batterie, die mit der schweren gezogenen 203-mm-Haubitze M115 aus den USA ausgestattet war. Die Aufstellung wurde 1962 in Lippstadt mit der Formierung der 2. und 3. Batterie und der Stabs- und Versorgungsbatterie fortgesetzt.

Das Feldartilleriebataillon 71 stand dem Artillerieregiment 7 für den allgemeinen Feuerkampf gegen wichtige Ziele im Gefechtsstreifen der Division und zur Unterstützung der Brigaden zur Verfügung. Während die Panzerartilleriebataillone der Brigaden primär zur Feuerunterstützung ihrer Kampftruppen vorgesehen waren,  konnte das divisionseigene Rohrbataillon sich auf zentrale Ziele wie z.B. die gegnerische Artillerie oder Gefechtsstände konzentrieren. Die Aufklärungsergebnisse der Beobachtungseinheiten des Regiments konnten so verzugslos in Feuerbefehle umgesetzt werden, ohne dass man auf die Panzerartilleriebataillone der Brigaden zurückgreifen musste, die sich auf ihre eigenen Vorgeschobenen Beobachter (VB) stützten. Das Feldartilleriebataillon verfügte allerdings auch über eigene „VB“, die mit dem leichten Kettenfahrzeug „Hotchkiss“ beweglich waren. Als Ersatz für die „Hotchkiss“ griff man zu Beginn der 80er Jahre auf umgebaute Kanonenjagdpanzer zurück, aus denen man die 90mm-Kanone ausgebaut hatte.

Das schwere Feldartilleriebataillon benötigte für sein Einsatzspektrum Geschütze größerer Reichweite. Bei seiner Aufstellung verfügte das Bataillon neben der 203mm Feldhaubitze M 115  noch über gezogene 155mm-Haubitzen amerikanischer Herkunft in der 2. und 3. Batterie. Diese M114 aus dem zweiten Weltkrieg hatten nur eine Reichweite von 14 km. Als im Jahr 1965 diese Haubitzen durch zwölf 175mm-Kanonen auf Selbstfahrlafetten (M 107) abgelöst wurden, besaß das Feldartilleriebataillon nun Geschütze mit einer Reichweite von 32 km. Markantes Merkmal der M 107 war das lange Rohr, das allerdings auch die Geländegängigkeit im bedeckte Gelände einschränkte und wegen der hohen Geschossgeschwindigkeit einem hohen Verschleiß unterlag.


Feldkanone 175 mm vom Typ M107 im Dülmener T-Bereich des Feldartilleriebataillons 71, 70er Jahre (Foto: ArtRgt 7)


Die sechs schweren 203mm-Haubitzen wurden für den Verschuss von nuklearen Granaten bereitgehalten. Die gezogenen M 115 aus der Erstausstattung wurden zeitgleich mit der Einführung der M107 durch die 203mm Haubitzen M110 auf dem gleichen Fahrgestell ersetzt.
Die M110 hatte mit 16 km eine kürzere Reichweite als die M107. Die M110 und M107 bildeten so lange Zeit die Standardwaffen des Bataillons.

M 110 A 2 der 4. Batterie in der Feuerstellung auf dem Übungsplatz Munster (1.11.1983)


Im Jahre 1981 trat die gezogene Feldhaubitze FH-155-1 an die Stelle der M107, die an die Korpsartillerie abgetreten und auf ein verlängertes Rohr Kaliber 203mm umgerüstet wurden. Die gleiche Umrüstung erfolgte auch bei den in der 4. Batterie verbliebenen M 110, so dass aus M 107 und M 110 ein einheitliches Geschützmuster, die M110 A2, wurde. Die M110 A2 erhielten  für die Besatzung als Wetterschutz eine zeltähnliche Abdeckung auf dem hinteren Oberteil der Lafette.

Die neue FH-155-1  war ein deutsch-britisch-italienisches Projekt. Sie konnte ihre Granaten bis zu 24 km verfeuern und zeichnete sich durch eine hohe Schussfolge aus. Sie besaß einen Hilfsantrieb mit dem sie Stellungswechsel aus eigener Kraft durchführen konnte. Als Zugfahrzeug diente eine geländegängiger LKW  7t der Kraftfahrzeugnachfolgegeneration, der auch die Munition aufnahm. Das Geschütz verfügte über keinen Panzerschutz für die Bedienung, den aber auch die Selbstfahrlafetten M107/110 nicht geboten hatten.

Feldhaubitzen FH 155-1 mit Zugfahrzeugen MAN 7 t gl auf dem Abstellplatz beim Regimentsschießen in Munster (1.11.1983)

Mit der Einführung der FH-155-1 wurde das Bataillon um eine zusätzliche Batterie erweitert, die vom Feldartilleriebataillon 110 abgetreten werden musste und als 4./71 eingegliedert wurde. Die 2.-4. Batterie setzten jeweils sechs Feldhaubitzen ein, während die schwere Batterie mit sechs M110 A2 nun als 5./Feldartilleriebataillon 71 fortbestand. Von den vier Feuerbatterien hatte eine Einheit einen Grundausbildungsauftrag und konnte als Einsatzausbildungseinheit (E/A) erst nach Einberufung von Alarmreservisten zu einer Kampfeinheit aufwachsen. Die Bildung von E/A-Kompanien war auch eine Folge der Heeresausweitung ab 1981, die bei den Kampfunterstützungs-bataillonen mit Abstrichen bei der Präsenz erkauft wurde.

Nach der Auflösung der Rohrbataillone der Korpsartillerie 1986 erhielten die Divisionsbataillone die freiwerdenden M110 A2. Dies geschah im Rahmen einer veränderten Artilleriestruktur, die eine Erhöhung der Geschützzahl von sechs auf neun Rohre pro Batterie vorsah. Bei einer gleichbleibenden Zahl von vier Feuerbatterien verfügte das Bataillon nun über 36 Geschütze, je zur Hälfte FH 155-1 (2.-3./71) und M110 A2 (4.-5./71). Die Kampfstärke des Bataillons hatte sich damit gegenüber den 60er und 70er Jahren verdoppelt!

Zentrale taktische Feuereinheit war nun nicht mehr die Geschützstaffel der Batterie, sondern der Feuerzug mit 4-5 Rohren. Anstelle des massierten Feuers mit möglichst vielen Rohren verlagerte sich der Artillerieeinsatz immer mehr auf wenige, dafür präzise Feuerschläge kleinerer Einheiten. Moderne Waffenrechner zur Berechnung der Feuerkommandos und Fahrzeugnavigationsanlagen hatten dies möglich gemacht.

In dieser Formation sollte das Bataillon aber nur kurze Zeit Bestand haben. Im Jahre 1989 erhielt das Feldartilleriebataillon 71 den Auftrag, den deutscher Beitrag für eine NATO-Einsatzgruppe in Nordeuropa (NATO Composite Force) bereitzuhalten. So sah man nun hin und wieder auch Spezialkettenfahrzeuge für den Schneeeinsatz im Dülmener T-Bereich. Der NATO-Auftrag in Nordeuropa brachte für das Feldartilleriebataillon eine interessanten neuen Auftrag und Übungsraum, wurde aber technisch mit einem Rückschritt erkauft. Zur Erhöhung der Mobilität wurden die  2. und 3. Batterie auf ein leichteres Kaliber umgerüstet.  Die beiden Batterien mussten ihre noch relativ neuen FH-155-1 aus den 80er Jahren gegen die Feldhaubitze 105(L) aus den 50er und 60er Jahren austauschen! Die FH 105 (L) war  ein US-Entwurf aus dem II.Weltkrieg und Standardwaffe der Brigadeartillerie bis Mitte der 60er Jahre. Das Geschütz war in Deutschland modernisiert und leistungsgesteigert (“L“=leistungsgesteigert) und nach seiner Ablösung in den Brigaden zur Ausrüstung der Korpsartillerie und für Ausbildungszwecke weiterverwendet worden. In den 80er Jahren nutzte dann die Feldartillerie der Heimatschutzbrigaden des Territorialheeres die FH 105 (L) weiter und am Ende kam die „Erbsenschleuder“  noch kurzfristig bei den Artillerieeinheiten des Bundeswehrkommandos Ost zum Einsatz, weil die Bundeswehr aus Sicherheitsbedenken die Geschütze der NVA nicht nutzen wollte.

Die Reduzierung der Bundeswehr  nach 1990 ging auch am Feldartilleriebataillon 71 nicht spurlos vorüber. Nach Auflösung des Beobachtungsbataillons 73 wurden Teile der Artillerieaufklärungskräfte als neue 2. Batterie integriert. Dazu gehörten ein Schallmesszug, ein Wetterzug und zwei Artillerieradargruppen. Die FH-155-1 und die M110 A2 wurden abgegeben und die beiden verbleibenden Feuereinheiten, die 3. und 4. Batterie mit je 8 Panzerhaubitzen M109 A3 G ausgestattet. Damit hatte das Divisionsartilleriebataillon die gleiche Geschützausstattung wie die Brigadeartillerie. Allerdings musste das Rohrbataillon wegen eines anderen Einsatzauftrages und der Anbindung an die Beobachtungsmittel der 2.  Batterie auf eigene Vorgeschobene Beobachter verzichten. Bei Feuerunterstützungsaufträgen für die Brigaden hätte  das Bataillon  die Beobachter der Brigadeartillerie nutzen müssen.  Die M110 A2 war wegen des wegfallenden Nuklearauftrages entbehrlich geworden und eine in den 80er Jahren noch geplante Entwicklung einer zielsuchenden konventionellen Munition für das Kaliber 203mm endgültig zu den Akten gelegt.

Die Umrüstung von 1993 war auch mit einer Umbenennung verbunden. Aus dem Feldartilleriebataillon 71 wurde das Beobachtungspanzerartilleriebataillon 71, das im Jahr 1996 noch eine weitere Einsatz/Ausbildungseinheit als 5. Batterie erhielt. Diese Batterie bildete im Frieden Rekruten aus und konnte nach Alarmierung von Reservisten zu einer weiteren M109-Batterie aufwachsen. Hier wurde auch Ausbildung für Auslandseinsätze der Krisenreaktionskräfte durchgeführt.

Eine 6. Batterie bestand als nicht aktive Einheit und sollte im Kriege den Personalersatz bereithalten. Diese Rolle wurde in früheren Strukturen von Feldersatzbataillonen auf Divisions- und Korpsebene wahrgenommen. Heute sind die mobilisierbaren Personalreserven direkt den Einheiten zugeordnet.  Das Bataillon wurde den Krisenreaktionskräften zugeordnet, die eine besondere Einsatzbereitschaft sicherzustellen hatten.  Soldaten des Bataillons waren  dementsprechend auch an den verschiedenen Friedenseinsätzen auf dem Balkan beteiligt.

Das Bataillon verfügte weiterhin auch noch über acht Feldhaubitzen 105 mm für die Durchführung von Salutaufträgen bei Staatsbesuchen, mit denen das Bataillon seit 1991 betraut war. Der NATO-Auftrag zur Unterstützung der NATO-CompositeForce wurde 1993 zusammen mit den FH-155-1 an das Gebirgsartilleriebataillon 225 in Füssen abgegeben.

Weniger von den Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte war die 1. Batterie mit ihrem Stabs- und Versorgungsauftrag betroffen. Sie stellte die Einsatzbereitschaft des Bataillonsstabes sicher, versorgte das Bataillon mit Munition, Betriebsstoff, Ersatzteilen und Verpflegung und beteiligte sich mit einem Instandsetzungszug an der Materialerhaltung und Bergung des Geräts. Die sanitätsdienstliche Versorgung der Soldaten rundete das Spektrum ab.  

Die Kompanie war mit einer breiten Palette von Gerät ausgestattet. Dazu gehörten Führungs- und Fernmeldemittel, Kranfahrzeuge und Bergepanzer ebenso wie Küchenwagen bzw. -anhänger. Zur Verstärkung der Eigensicherung des Bataillons erhielt die Kompanie in den 70er Jahren auch acht Feldkanonen 20 mm.  Für den Munitionstransport verfügte die Kompanie über schwere LKW. Der berühmte FAUN 912-21 Munitionstransporter mit gelenkter Doppelachse wurde in den  späten 70er Jahren durch den geländegängigen MAN 10 t ersetzt. Die eigene Munitionstransportkapazität war im Einsatzbild der Vorneverteidigung vor 1990 erforderlich gewesen, um die Grundbeladung an Betriebsstoff und Munition jederzeit in den Einsatzraum transportieren und die Bestände auf den Begleit- und Zugfahrzeugen der Feuerbatterien sofort ergänzen zu können. Aus diesem Grunde hatten die Munitions-LKW auf der Ladepritsche einen kleinen Kran. Die Munition lagerte in der Standortmunitionsniederlage in Visbeck, die sich an das Sonderwaffendepot räumlich anschloss. Mittlerweile lagern die Bestände nur noch in den zentralen Munitionsdepots. In einem Einsatz würden künftig Transport-LKW der Nachschubtruppe (MULTI) die Munition auf Wechselpritschen zuführen.

Verladung von leeren Kartuschen auf MAN 10 gl, Munster 1.11.1983


Im Jahre 1992 tauchten  die ersten internationalen Inspekteure im Bataillon auf, die aufgrund der 1990 geschlossenen Verträge der europäischen Sicherheitskonferenz (KSE) das Recht hatten, die vereinbarten Rüstungskontrollvereinbarungen vor Ort zu überwachen.

1999/2000  wurde   Verband noch mit 18 modernen Panzerhaubitzen 2000 für die drei Feuerbatterien ausgestattet.

Panzerhaubitze 2000 vom Feldartilleriebataillon 71 beim letzten Tag der offenen Tür in der Haard-Kaserne, Datteln, Juni 2002


Das Bataillon pflegte neben dem militärischen Auftrag auch zahlreiche Kontakte über die Kasernenmauern hinweg. Es bestanden lokale Patenschaften mit Hausdülmen, Senden, Westerholt und Sythen sowie seit 1993 mit dem 40.Artillerieregiment des französischen Heeres in Suippes.

Das Feldartilleriebataillon 71 setzte auch die Tradition des 1986 in Dülmen aufgelösten Feldartilleriebataillon 110 fort. Darüber hinaus wurde dem Bataillon 1977 die Tradition des ehemaligen Westfälischen Fußartillerieregiments Nr. 7 aus preußischer Zeit anvertraut.

Im ersten Quartal 2001 erschienen zahlreiche Journalisten in der Kaserne, um über die Grundausbildung der ersten Rekrutinnen zu berichten, die von den erweiterten Möglichkeiten des Einstiegs in die Soldatenlaufbahn für Frauen Gebrauch machten. Seitdem gibt es Soldatinnen nicht nur bei der Sanitätstruppe. Die Bundeswehr wird den Anteil an freiwilligen Soldatinnen ausweiten und dabei auch die Motivation und Talente der Frauen nutzen.

Das Dülmener Beobachtungspanzerartilleriebataillon 71 sollte auch die 2002 eingeleitete tiefgreifendste Reform der Bundeswehr seit ihrem Bestehen nur kurz überdauern. Im März 2002 demonstrierte das Bataillon noch einmal im Rahmen eines Regimentsschießen seine Feuerkraft, die es durch die neue Panzerhaubitze aufgrund gesteigerter Automatisierung und moderner Waffenelektronik weiter verbessert hatte. Das Bataillon verlor noch im gleichen Jahr seine schießenden Teile und wurde ab Oktober 2002 eines der drei aktiven Artillerieaufklärungsbataillone der Artilleriebrigade 100. Im Rahmen der Bundeswehrreform verlegte es nach Coesfeld und nahm unter anderem die dort seit 1986  stationierte Drohnenbatterie 100 und die Drohnenbatterie 1 aus Delmenhorst auf. Die Einführung neuer Aufklärungsmittel wie das Artillerieaufklärungsradar COBRA und eine neue Drohne zur Kleinzielortung (KZO) waren  in Aussicht gestellt. Die Fortsetzung der Geschichte des Dülmener Hausbataillons  am neuen Standort Coesfeld wird aber schon 2008 enden. 2006/7  begann noch die Ablösung der Drohne CL 289 durch das System KZO (mit enstprechenden Infrastrukturinvestitionen!). Die damit ausgestattete 3.Batterie wird 2008 in das Artillerielehrregiment 345 im pfälzischen Kusel intergriert.

Am 15.12.2008 wurden die Truppenfahne des Artillerieaufklärungsbataillons 71 in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne eingerollt. Das bedeutete gleichzeitig auch das Ende der Garnison in der Coesfelder Freiherr-vom-Stein-Kaserne, die die Bundeswehr ab 1971 bezogen hatte.

Raketenartilleriebataillon 72

Das Raketenartilleriebataillon 72 war nur wenige Jahre in Dülmen stationiert, als es teilweise aufgelöst und nach Fusion mit einem anderen Verband an neuen Standorten weiterbestand. Da dies Bataillon aber immer zum Dülmener Artillerieregiment gehört hatte und seine Sicherungsbatterie auch immer in Dülmen geblieben war, soll es hier auch vorgestellt werden.

Im Jahre 1960 entstand in Eschweiler (Lager Donnerberg) , dem Standort der damaligen Raketenschule des Heeres, die 2. Batterie des Raketenartilleriebataillons 72. Die Batterie fungierte zeitweise als Lehreinheit der Raketenschule des Heeres. Die Vollaufstellung des Raketenartilleriebataillons 72 wurde mit Stabs- und Versorgungsbatterie, drei Raketenwerferbatterien und einer Sicherungsbatterie erst im Jahre 1965 in Handorf bei Münster abgeschlossen. Die vom Lehrbataillon der Raketenschule übernommene  4./72(L) blieb als  Lehrtruppe für die Ausbildung am System „Honest John“ in Eschweiler.

Im Jahre 1966 verlegte das Raketenartilleriebataillon 72 nach Dülmen, wurde aber schon 1970 zur Aufstellung des Feldartilleriebataillons 110 geteilt und bildete in Geilenkirchen nach Verschmelzung mit dem Lehrtruppenteil der Raketenschule das neue Raketenartilleriebataillon 72 (L) in einer Doppelrolle als Einsatz- und Lehrverband. Mit der Integration der Raketenausbildung in die Artillerieschule in Idar-Oberstein war 1981 der Lehrauftrag hinfällig geworden. In diesem Jahr musste das Bataillon erneut umziehen, weil in Geilenkirchen Platz für das AWACS-Kommando der NATO geschaffen werden musste. Das Bataillon war dann bis zu seiner Auflösung 1993 in der Colmar-Kaserne in Wuppertal stationiert. Dieser Standort lag erheblich günstiger zum Regimentsstab in Dülmen. Die 5. Batterie des Raketenartilleriebataillons 72 war immer in Dülmen geblieben, weil sie als Sicherungsbatterie durch ihren Bewachungsauftrag an das Atomwaffendepot in Visbeck gebunden war. Sie wurde nach der Außerdienststellung der Honest-John-Rakten 1980 in 4./RakArtBtl 72 umbenannt und  1986 als Begleitbatterie 7  zu einer selbstständigen Einheit des Regiments.

Zur Erstausstattung des Bataillons gehörte der Raketenwerfer 762mm  „Honest John“, der in erster Linie als Kernwaffenträger vorgesehen war. Die Rakete konnte stärkere Nuklearladungen zum Einsatz bringen als die M 110-Geschütze. Bei der „Honest John“ handelte es sich um ein relativ einfaches System, bei dem der Raketenstarter auf einem US-LKW wie ein Geschütz ausgerichtet wurde und der ungelenkte Flugkörper in einer ballistischen Kurve sein Zielgebiet erreichte. Da die Rakete von Wind abhängig war, gehörte zur Ausstattung auch entsprechendes meteorologisches Messgerät. Vor dem Start musste die Rakete mit Heizdecken vorgewärmt werden. Zum Fahrzeugpark gehörte auch eine Reihe amerikanischer LKW-Modelle. Dies System blieb immerhin bis 1980 im Dienst, weil es für den strategischen Verbund von US-Kernsprengköpfen und Trägerwaffen nichtnuklearer Bündnismitglieder benötigt. Ein Flugkörper dieses Typs dekorierte bis zum Schluss den Eingangsbereich der St.-Barbara-Kaserne. Das Nachfolgesystem, die „Lance“-Rakete, konnte aus finanziellen Gründen ab 1976 nur bei der Korpsartillerie eingeführt werden.

Ein  "Honest-John"-Flugkörper erinnerte als Denkmal in der St.-Barbara-Kaserne an die Stationierung des Raketenartilleriebataillons 72 in den ersten Jahren der Garnison (Foto 2002)

Im Jahre 1969 begann beim Raketenartilleriebataillon die Einführung eines weiteren neuen Raketenartilleriesystems des Heeres. Mit dem Übergang zur Strategie der „flexible Response“ ab 1967 war eine Verstärkung der konventionellen Feuerkraft erforderlich. Anstelle der bisher relativ großzügigen Einplanung nuklearer Waffen bei der Abwehr konzentrierter Angriffsformationen benötigte man ein konventionelles Waffensystem, mit dem man in kürzester Zeit eine größere Fläche unter Feuer nehmen oder durch Minen sperren konnte. In der Raketenartillerie wurde deshalb ab 1969 ein Mehrfachraketenwerfer auf dem Fahrgestell des Magirus Deutz 7t eingeführt. Die beiden Raketenbehälter konnten 36 ungelenkte Raketen vom Kaliber 110 mm in schnellen Salven verschießen. Die Raketen konnten verschiedene Munitionssorten, u.a. auch Minen einsetzen. 16 Mehrfachraketenwerfer SF 110 (spätere Bezeichnung: LARS = leichtes Artillerieraketensystem) wurden in die 3. und 4. Batterien der Raketenartilleriebataillone der Divisionen integriert, nachdem man die „Honest John“ in der 2. Batterie konzentriert hatte.  In den 80er Jahren ersetzte man als Trägerfahrzeug den Magirus durch ein Fahrgestell des geländegängigen LKW 7t aus der Nachfolgegeneration. Um den Nachteil der relativ großen Streuung ungelenkter Raketen zu kompensieren , wurde ein Radargerät zum Vermessen von Probeschüssen eingeführt (FERA), dessen Ergebnisse  präzisere Feuerkommandos ermöglichten.

Mit der Ausmusterung der letzten „Honest John“ im Jahre 1980 war eine Umnummerierung nach dem Wegfall der 2. Batterie erforderlich  ( 1 StVers, 2.-3. RakWf 110, 4.Sich). In den 90er Jahren sollten die Raketenartilleriebataillone der Divisionen zusätzlich ein mittleres Raketenartilleriesystem (MARS) amerikanischer Herkunft erhalten . Die Raketen vom Kaliber 227 mm wurden von einem Mehrfachstarter auf einem US-Panzerfahrzeug verschossen. Die geplante Umrüstung fand in Wuppertal noch statt, das Bataillon wurde dann allerdings 1993 aufgelöst  und in das Weseler Raketenartilleriebataillon 150 integriert. In der neuen Bundeswehrstruktur wurde auch dieser Nachfolgeverband in Wesel Ende 2002 aufgelöst. Die Tradition der Raketenartillerie wurde von drei aktiven Bataillonen in Hermeskeil(52), Homberg/Efze(55) und Sondershausen (132) unter der Regie der Artilleriebrigade 100 fortgesetzt.  Der Bundeswehrplan von 2004 sieht nur noch das Raketenartilleriebataillon 132 in Sondershausen vor. >>>

 

 

Autor:Jürgen Dreifke